Ohne meinen Bruder Leo hätte ich ehrlicherweise nicht den Weg zurück zum Spinnfischen gefunden. Ich habe 20 Jahre Fliegenfischen auf dem Buckel und habe mehr wilde (!) Bachforellen über 55cm auf Trockenfliege gefangen, als ich mich erinnern kann. Auch auf Meerforelle war ich viel los und gehörte vor einer gefühlten Ewigkeit zum Inner Circle der norddeutschen MeFo-Szene. In meinen besten Jahren habe ich über 100 Meerforellen/Jahr auf Fliege verhaftet. Ich schreibe dies aus zwei Gründen: Das wichtigste intrinsische Motiv ist reine Prahlerei, ich gebe das bereitwillig zu. Das andere Motiv ist mich zumindest auf einem Gebiet als Experte zu positionieren, denn hier und heute schreibe ich über ein Gebiet, auf dem ich begeisterter Dilettant bin: Spinnfischen.
Der Beschluss Spinnfischen zu gehen, wurde gefasst, um mehr aus der Stadt rauszukommen. Technoparties und Tapas futtern hält als Beschäftigung am Wochenende doch kein Schwein auf Dauer aus. Die Fliegenfischen-Saison ist echt kurz, wenn man nur mit der Trockenfliege fischt. Und mit einem anderen Zielfisch ist die Saison ein Jahr lang. Nach Studium diverser Youtube Videos kam der Entschluss, es mit dem Barsch zu probieren. In meiner Naivität dachte ich, dass Barsche wie Meerforellen funktionieren: Schwarmfisch, lokalisieren, Massaker anrichten und wenn man es raushat, jeden Tag einen 30er zu verhaften. Das Ganze mit Finesse-Methoden, weil das nah am Fliegenfischen dran ist. Das war die Theorie. Hätte Leo nicht sofort gesagt „I am in“, wäre es bei der Theorie geblieben. Also ab zu Angeljoe und sich als absoluter Anfänger zu erkennen geben. Ein supernetter und gefühlt extrem kompetenter Verkäufer hat mir einen Marktüberblick gegeben und eine Stunde später hatte ich eine Barschkombo: Eine Greys mit Wurfgewicht von 15 gr und dazu irgendeine Spro Stationärrolle. Dazu jede Menge Gummiwürmer, für die ich Spott und Häme meiner Fliegenfischer Buddies sicher hatte, aber egal. Bulletbleis fürs C-rig und ein paar Dropshotbleie und ich war bereit für die erste Attacke am Wasser.
Ab ging es mit Leo an einen namenlosen Fluss in Brandenburg im Januar. Nach 3 Stunden kein Biss, dafür einige Bäume und Hänger, die nach der Theorie mit dem C-Rig und Offset-Haken unmöglich sind. Geht aber offenbar doch recht gut. Stahlvorfach hatte ich natürlich nicht montiert, denn ein 2,5“ Gummiwurm am 4er Haken wird nach der Theorie nur und ausschließlich von Barschen gefressen. Nach dem sich der erste Optimismus so langsam legen konnte, kam dann natürlich, was kommen musste: Ein Hänger war offenbar doch keiner, denn da schlug etwas recht heftig mit dem Kopf. 31 Sekunden später flog mir das Bulletblei entgegen. Als Fliegenfischer waren die Reflexe in Ordnung: Kopf einziehen und so konnte die Platzwunde grade noch vermieden werden. Nachdem ich mich gesammelt hatte Mission Recap: Ich hatte nen Hecht drauf und der macht mit 0,25 Fluo ganz kurzen Prozess. Stahlvorfächer hatte ich natürlich nicht, Zielfisch war ja Barsch. Leo war natürlich schlauer und vorbereitet und hatte Stahlvorfächer dabei. Seine hinterhältige Taktik war, auf Barsch zu fischen aber Hechte einzuplanen. Um es kurz zu machen: Ich habe böse geschneidert. Leo nicht, der hatte nen Hecht. 40cm oder so. Als Fliegenfischer ist das schon eine echt beachtliche Fisch-Größe und unsere Freude war noch größer.
Die Januartouren liefen schnell nach ähnlichem Muster ab: Keine Barsche bei mir, dafür jedesmal Hechtkontakte, die ich trotz Stahlvorfach (nie wieder ohne!) nicht verwandeln konnte. Bei Leo liefs viel besser, aber darüber wird er schreiben und mir das nochmal schriftlich einreiben. Ich war einfach in meiner Fliegenfischer-Welt gefangen: Nach Biss vorsichtig die Rute anheben, ja, Fisch drauf, Kopfschütteln beim Fisch, Hecht weg, dann Kopfschütteln bei mir. Grrrr. Irgendwann wurde ich besser und ich konte jeden 5. Hecht landen. Den ersten Hecht, der hängen blieb, könnt ihr als Beitragsbild bewundern. Leo landete mindestens 4 aus 5. Uff. Sympathischerweise bin ich bei sowas echt beratungsresistent, denn meine gefühlte Expertise als Fischer war zu groß. Aber irgendwann trafen wir uns zum Krisenbier: Irgendwas lief grundfalsch, denn Leo zog mich bei Größe und Anzahl der Fische immer so ab, dass bei mir irgendwann der Groschen gefallen ist: Ich kann nix und muss von ihm lernen.
Leo war exzellent vorbereitet, denn es gab nicht nur Bier, sondern auch fertig aufgezogene Gummifische auf monströsen 3/0er Eisen. Seine Ausführung war kurz: „Die fischt du jetzt. Einfach einleiern und nicht faulenzen. Wenn du nen Biss hast, knallst du so rein, dass die Rute bricht. Dann hängen sie. Prost!“ Das Resultat könnt ihr auf dem Foto von Leos letztem Blogartikel bewundern. Man beachte dass Daumen hoch von meinem Bruder. Man beachte auch das fortgeschittene Jahr. Habe also was gelernt, wenn auch sehr langsam. Ab da gings rapide aufwärts. Im Moment fange ich ca. 2-5 Hechte am Tag in den DAV Gewässern in Brandenburg, so 50-65cm meistens. Keine Ahnung, ob das gut ist, aber ich bin happy. Und letztendlich gehts u.a. darum für mich beim Fischen: Dinge lernen, Natur genießen und happy sein.
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